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Dr. Christian Harun Maye
Wissenschaftlicher Mitarbeiter / DozentWissenschaftlicher Mitarbeiter / Dozent
Seminar für Medienwissenschaft
Holbeinstr. 12
4051
Basel
Schweiz
Lesen als Kulturtechnik
In zwei geplanten Monografien zur „Mediengeschichte der Autorenlesung“ und zu den „Theorien und Praktiken des Lesens“ werden Theorien, Geschichten, Praktiken und Medien der Lektüre, die unserer Gesellschaft prägen, in ihrem komplexen Wechselverhältnis dargestellt.
Das Projekt geht von der einfachen Annahme aus, dass Lesen aus einer Vielzahl unterschiedlicher Praktiken besteht, die als solche zunächst kaum sichtbar sind. Man kann Texte durchblättern, überfliegen, anlesen, laut oder leise, partiell oder im Ganzen lesen – und alle diese unterschiedlichen Formen der Lektüre machen auch einen Unterschied für das Lesen als Kulturtechnik. Eine einfache Verfallsgeschichte des Lesens, wie sie kulturkritische und mediendarwinistische Narrative pflegen, scheint diese Realität nicht angemessen beschreiben zu können. Denn die Praktiken des Lesens bleiben einerseits erstaunlich konstant, andererseits verändern sich deren Effekte im Wandel der Zeitalter und Medien ganz erheblich. Wie diese Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen zu verstehen ist, soll in den beiden Monografien aufgeklärt werden.
Vor allem das Vorlesen, heute meist nur noch in seiner didaktischen Funktion präsent, scheint dafür ein gutes Beispiel zu sein. Um die unterschiedlichen Bedeutungen des Vorlesens auch begrifflich zu markieren, hat Roger Chartier den Vorschlag gemacht, Vortragen und Vorlesen zu unterscheiden. Folgt man diesem Vorschlag, dann erscheint das Vorlesen als eine Kulturtechnik mit eigenständiger Geschichte und Systematik, die nur in Ansätzen erforscht ist. Eine zentrale Stellung nimmt dabei die Geschichte der literarischen Lesung ein.