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Harun Maye im Gespräch über Bücher, die ihn beeindruckt haben und solche, die er selbst geschrieben hat.


Wie Sind Sie zur Medienwissenschaft gekommen?
Zwei Bücher haben mich als Student besonders beeindruckt und beschäftigen mich bis heute: Understanding Media: The Extensions of Man (1964) von Marshall McLuhan und Aufschreibesysteme 1800/1900 (1985) von Friedrich A. Kittler. Dass es möglich ist, die Geistes- und Kulturgeschichte von der Antike bis zur Gegenwart als Mediengeschichte zu erzählen, habe ich zum ersten Mal aus diesen Büchern gelernt. Seitdem bin ich mit dem Fach immer wieder beruflich und intellektuell verbunden gewesen.

Welchen Fragen gehen Sie aktuell in Ihrer Forschung nach?
Ich interessiere mich für die vortrags- und mediengeschichtlichen Voraussetzungen von Autorenlesungen in akustischen und audiovisuellen Medien, für die Geschichte und Theorie von Kulturtechniken, für Praxeologie und Netzwerkforschung sowie für die vielfältigen Verbindungen von Medien und Politik.

Worum geht es in Ihrer neusten Publikation?
In meinem neusten Buch untersuche ich die Kulturtechniken des ›Blätterns‹ und ›Zappings‹ als Stellenlektüren. Ausgangspunkt ist die Beobachtung, dass durch die Neuorganisation des Schriftbilds im Übergang vom Volumen zum Kodex auch eine tiefgreifende Veränderung in der Rezeptionsweise von Texten stattgefunden hat. Dieser mediale Wandel hatte nicht nur Auswirkungen auf die Theorie und Praxis des Lesens, sondern auch auf die Bildung aufmerksamer Subjekte. Diese Konstellation wiederholt sich um 2000 mit der Einführung der Fernbedienung, die eine Veränderung in der Rezeptionsweise von Fernsehbildern ausgelöst hat. Der Wille, solche wilden Rezeptionsweisen zu kontrollieren, rekurriert auf die hermeneutische Unterscheidung zwischen dem Ganzen und seinen Teilen. Dabei wird traditionell der Vorrang des Ganzen vor den einzelnen Stellen behauptet: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. Anhand exemplarischer Lektüren von Bildern, Texten und technischen Apparaturen zeige ich in meinem Buch geradezu die Inversion dieses Grundsatzes: Die Summe der Teile ist mehr als das Ganze.

Was sind Ihre Aufgaben im Fachbereich Medienwissenschaft?
Ich vertrete die Professur für Medienwissenschaft und bin verantwortlich für die Module Medien Kommunikation Gesellschaft (MKG) und Medientechnologien (MTL).

Gibt es einen Text, der Sie besonders fasziniert und warum?
Rainald Goetz: Hirn, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1986. Die beste Sammlung von New Journalism in deutscher Sprache. Man kann immer wieder hingerissen dieses hinreißende Buch lesen und denken: hey, super. Ohne Zweifel ein Klassiker.

Was schätzen Sie an anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am meisten?
Alles, was ich von Ihnen lernen kann.

Was machen Sie als Wissenschaftler/in am liebsten?
Arbeiten.

Welche wissenschaftliche Tugend erscheint Ihnen unverzichtbar?
Problemstellungen formulieren und bearbeiten zu können.

Haben Sie einen Tipp für Studierende?
Binge Reading – man sollte nicht nur die Kunst des langsamen Lesens, sondern auch das exzessive und schnelle Lesen lernen.